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Digital oder Analog - wie schlägt das Kölsche Herz?

Aktualisiert: 11. Feb. 2022


Die Stadtpatrioten im Gedankenaustausch mit Stephan Henseler und Udo Müller


Am 14.01.2021 trafen sich Stephan Henseler und Udo Müller mit den Stadtpatrioten zu einem Gespräch über die Entwicklung des Kölner Karnevals. Ob online oder analog – beide Formate haben einen gewissen Reiz, aber lest selbst, was wir in der netten Diskussionsrunde erörtert haben.

Ein paar Worte zu Udo Müller: geboren wurde er Anfang der 6oer Jahre, er ist seit 1991 aktiver Puppenspieler im Hänneschen Theater. Zusätzlich ist er ein begabter Autor und Regisseur. Seit einigen Jahren hat er die Position des stellvertretenden Intendanten des Kölner Hänneschens.

Bei Stephan Henselers sollte man erwähnen, dass er schon von Kindesbeinen an im kölschen Mundart Theater Fritz Monreal spielt. Mittlerweile ist auch er Autor und Regisseur der kölschen Mundart Theaterstücke , die einmal im Jahr ihre große Premiere im Brunosaal feiern. Mit 32 Jahren ist er einer der jüngsten Sitzungspräsidenten von Köln bei der Kg Löstigen Ubier e.V.


Wofür schlägt dein Herz mehr? Für den analogen Karneval oder den Karneval im online Format?


Stephan: Analoger Karneval bleibt mein Favorit.

Udo: Der Online Karneval war ein guter Corona „Ersatzkarneval“.


Wo seht ihr Chancen oder auch Risiken im Online Karneval?


Stephan: Um mal mit dem Positiven anzufangen: Für Menschen, die nicht mehr hier leben, ältere Leute -wie meine Großmutter - die nicht mehr zu den Sitzungen gehen können, ist es ein Gewinn. Es ist eine gute Alternative und wird fortan Bestand haben. Für die Redner ist dieses Format eher problematisch. Einmal gesehen und aufgenommen, werden die Reden mittlerweile sofort im social Media verbreitet. Eine neue Rede ist innerhalb von Sekunden quasi nicht mehr aktuell, weil sie alle auf dem Handy haben. Menschen kennen die Rede somit bereits, bevor sie den Künstler live gesehen haben.


Udo: Ich selber habe am Online Karneval nicht so viel Freude. Es gibt mir nichts, die einzelnen Künstler anzuklicken, um mir dann mein Programm selbst zu gestalten. Der Überraschungseffekt ist einfach weg.


Stephan: Die Risiken im Internet für Künstler im Karneval sind allgemein, dass Beiträge verwässert werden. Die eigentlichen Urheber werden weggelassen oder bewusst nicht genannt.


Udo: Jemand, der in der Kunst Dinge schafft, sollte seine Rechte behalten und dafür entlohnt werden, genauso wie es bei einem Handwerksberuf ist. Es gibt da auch verschiedene Ansätze, die einen verbreiten es einfach weiter aus reiner Unwissenheit, den anderen ist es gleichgültig. Bei manchen privaten Feiern habe ich zum Beispiel noch nicht den letzten Schlussakkord gespielt, schon wird es in Social Media gepostet. Das ist etwas ganz anderes, als für private Zwecke eine Erinnerung zu filmen. Nur ist das den meisten Menschen gar nicht klar.

Aber eins kann man feststellen: Das Hänneschen Theater hat mehr Online Tickets verkauft als wir in einer Session Zuschauer ins Theater bekommen würden. Es gibt jedoch einen Unterschied: Die Online Tickets sind deutlich günstiger und es schauen vermutlich mehr Leute am Bildschirm zu als Tickets gekauft werden. Was aber ganz klar fehlt, ist für alle Beteiligten das Live Erlebnis.


Stephan: Wenn alle fair mit diesem Medium umgehen würden, wäre es ja zusätzlich auch ein finanzieller Erfolg.


Fairness über das Internet ist ein hohes Gut, dass auch die Stadtpatrioten mit ihrer Internetseite anstreben. Jetzt stellt euch mal vor ihr seid In 100 Jahre wieder geboren. Es gibt keinen Fastelovend mehr. Was macht Ihr?


Udo: Wenn ich jetzt positiv daran gehen soll, denke ich, ich komme auf Rosenmontag an und in Köln ist Jubel Trubel Heiterkeit. Also, wenn es keinen Karneval mehr gibt, würde ich zuerst den Eisenmarkt besuchen und davon ausgehen, dass das Hänneschen ein Museum geworden ist. Was ich sonst noch mache? Ich müsste die Menschen erst mal kennenlernen, um zu wissen was sie mögen…


Stephan: Ich würde die decke Trumm rausholen, um den Karneval wieder zum Leben zu erwecken. Rhythmische Musik verbindet Menschen, macht sie aufmerksam und neugierig.


Udo: Das wäre ja genauso als würde ich mit der „decken Trumm“ durch Bangkok laufen.


Das wäre auch mal ein netter Versuch.


Udo: Es stimmt schon - Live Musik und Tschingderassabum gehen hier rein (zeigt auf sein Herz) spricht Menschen immer an, egal aus welchem Kulturkreis.


Wer ist die wichtigste Person oder der wichtigste Personenkreis im Rosenmontagszug?


Udo: Das Dreigestirn, deswegen geht der Rosenmontagszug durch Köln und alles was vor dem Dreigestirn läuft ist Eskorte.

Stephan: Die Zuschauer am Rand sind das Wichtigste. Auch wenn sich das Publikum sehr verändert hat. Früher gab es noch mehr Familien mit Kindern am Straßenrand, die – wie man in Köln sagt: „Fastelovend im Blut“ hatten. Mittlerweile unterscheidet man als Rosenmontagszugteilnehmer intuitiv blitzschnell zwischen einem kölschen Jecken und einem „Touri“.


Wenn es wieder losgeht und wir können, wie wir wollen. Worauf freust Du dich am meisten?

Stephan: Im vollen Saal zu singen, zu schunkeln und sich wieder in den Arm nehmen zu können.

Udo: In der Kellerbar gemeinsam zu feiern, Spaß zu haben in erster Linie auf den kleinen Partys.


Siehst Du eine Gefahr, die ältere Generation mit Online Karneval abzuhängen?

Stephan: Ich sehe es als unproblematisch, da immer einer der Freunde oder Familien- Mitglieder helfen kann.

Udo: Das sehe ich auch so.


Kann Online Karneval ohne den analogen Karneval existieren?

Stephan: Ich glaube es nicht. Ich wünsche dem Online Karneval viel Erfolg, aber ich glaube nicht, dass sich dieses Format vollkommen unabhängig vom analogen Karneval durchsetzen kann.

Udo: Das ist ja so als würde ich sagen, ich fahre nicht mehr in Urlaub, sondern hänge mir ein anstelle ein Bild vom Gebirge über den Esszimmertisch. Hier fehlt doch das eigene Erlebnis!


Was könnte man in Zukunft als Format ausführen, jetzt mal unabhängig von einer konkreten Durchführung?


Stephan: Ich hätte gerne ein traditionelles Format mit Rednerkultur und jungen Bands unplugged, das wäre ein Wunsch von mir. Ich glaube aber nicht, dass das die breite Masse möchte. Fastelovend bedeutet auch zuhören und teilhaben, nicht nur ausrasten. Wer mehr Interaktion möchte, kann sich auf Partys und Bällen Bewegung verschaffen.


Udo: Karneval muss auch allen Generationen gerecht werden. Auf einer Sitzung, bei denen junge Bands auftreten und die Groupies nach vorne zur Bühne rennen, gibt es irgendwie auch eine Verwechslung mit einem Rock Konzert in der Köln Arena. Bei Rednern braucht auch das Publikum Disziplin, dem Künstler auf der Bühne einfach zuzuhören.


Stephan: Ich glaube es ist nicht nur ein Generationen Thema, sondern eine gesellschaftliche Thematik. Ich erinnere mich an den Auftritt von Bernd Stelter auf der Fernsehsitzung. Eine Dame aus dem Publikum beschwert sich auf der Bühne mitten im Vortrag beim Künstler persönlich. Der Respekt gegenüber den Künstlern schwindet zusehend. Das ist das Gleiche, wenn ich im Netz etwas von einem Autor teile und den Namen nicht nenne.


Gibt es einen Wunsch für Köln?

Stephan: Dass die Kölsche Seele, die noch da ist, uns erhalten bleibt.

Udo: Mehr ursprünglichen Fastelovend verbunden mit Akzeptanz und Respekt nicht nur unter Kölschen, sondern von und zwischen allen Menschen, die hier in dieser Stadt leben.


Die Stadtpatrioten wünschen dem Fastelovend , dass Udo Müller und Stephan Henseler ihm noch lange erhalten bleiben.




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